Dieser Artikel bildet den Auftakt zur Serie „Die letzten ihrer Art“, in der Tiere porträtiert werden, die an der Schwelle zur Auslöschung stehen – oder diese bereits überschritten haben. Sie soll ein Bewusstsein für den Wert biologischer Vielfalt schaffen und die oft einschneidende Rolle des Menschen im empfindlichen Gefüge der Natur verdeutlichen.

Das Nördliche Breitmaulnashorn ist ein Mahnmal für das, was wir verlieren, wenn wir nicht handeln. Es erzählt eine Geschichte von Wilderei und Wissenschaft, von Hoffnung und Hilflosigkeit. Und die letzten Kapitel sind längst angebrochen. Zogen einst Tausende durch die Savannen Zentralafrikas, leben Stand 2025 noch zwei Weibchen unter ständiger Bewachung im Ol Pejeta Conservancy in Kenia. Najin und Fatu sind die letzten Vertreterinnen ihrer Unterart. Es gibt kein Männchen mehr, keine natürliche Fortpflanzung, keine Zukunft in freier Wildbahn. Sie sind kein Symbol der Stärke mehr, sondern eine stille Erinnerung daran, wie schnell eine Spezies verschwinden kann.

Ihr Schicksal ist Teil eines globalen Artensterbens, das durch menschliches Handeln beschleunigt wird – und das längst nicht nur Tiere betrifft. Denn mit jeder verlorenen Lebensform gerät auch das ökologische Gleichgewicht ins Wanken, das unser aller Leben trägt.

Northern White Rhinoceros Angalifu

Urheber Sheep81, Dieses Werk wurde von seinem Urheber Sheep81 als gemeinfrei veröffentlicht. Dies gilt weltweit.

Steckbrief: Das Nördliche Breitmaulnashorn

Zwei Tiere bewahren das Erbe einer ganzen Unterart. Ein kurzer Blick zurück zeigt, was mit ihnen verschwindet.

Das Nördliche Breitmaulnashorn (Ceratotherium simum cottoni) war einst in den sumpfigen Graslandschaften und Savannenwäldern Ost- und Zentralafrikas südlich der Sahara zuhause – vor allem in Ländern wie dem Sudan bzw. Südsudan, Uganda, der Demokratischen Republik Kongo, der Zentralafrikanischen Republik und Tschad.

Mit einer Länge von 3,4 bis 4,2 Metern und einem Gewicht von 1.700 bis 2.400 Kilogramm führten die Tiere ein Leben als reine Pflanzenfresser. Mit der für die Art typischen breiten Schnauze zupften sie bevorzugt Gräser. Sie verbrachten einen Großteil ihrer Zeit mit der Nahrungsaufnahme.

Sozial lebten die Tiere vermutlich in kleinen Gruppen aus Weibchen und Jungtieren, während ausgewachsene Männchen meist territorial und einzelgängerisch waren – ein Muster, das bei der südlichen Unterart dokumentiert ist. Mit ihrem guten Geruchs- und Hörsinn kommunizierten die Tiere u. a. über Laute und Duftmarken – ein komplexes Verhalten, das in freier Wildbahn kaum noch beobachtet werden kann. Wie genau sich das Sozialverhalten der nördlichen Unterart vom Südlichen Breitmaulnashorn unterscheidet, ist wissenschaftlich nicht abschließend geklärt. Ranger des Ol Pejeta Conservancy berichten jedoch von abweichenden Lautäußerungen bei den letzten beiden Weibchen im Vergleich zu Südlichen Breitmaulnashörnern.

Im Unterschied zum südlichen Verwandten hat das Nördliche Breitmaulnashorn einen geraderen Rücken und eine flachere, kürzere Schädelform. Auch die Hornstruktur unterscheidet sich: Das vordere Horn fällt kürzer und weniger massig aus als beim Südlichen Breitmaulnashorn. Als morphologisches Merkmal wird häufig die stärkere Behaarung der Ohren genannt – allerdings zeigen auch viele Individuen der südlichen Unterart deutlich behaarte Ohren, sodass dieses Merkmal allein nicht als verlässlich gilt. Die genannten Unterschiede spiegeln die Anpassung an feuchtere, sumpfigere Lebensräume wider. So entwickelte das Nördliche Breitmaulnashorn auch größere und breitere Füße – und eine rauere Haut, die an bestimmten Körperstellen wie Schultern und Flanken besonders texturiert ist.

Die Tragzeit betrug rund 16 Monate, und ein Kalb wurde meist nur alle zwei bis drei Jahre geboren. In freier Wildbahn konnten Nördliche Breitmaulnashörner ein Alter von ca. 40 Jahren erreichen. Natürliche Feinde hatten sie als ausgewachsene Tiere kaum – ihre Größe schützte sie. Die schlimmste Bedrohung ging und geht vom Menschen aus.

Als großer Pflanzenfresser prägte das Nördliche Breitmaulnashorn die Vegetationsstruktur in seiner Heimat. Durch das Abweiden von Gräsern hielt es dichte Bewuchsflächen offen und schuf Durchgänge für kleinere Tiere. Seine Bewegungen und Ausscheidungen trugen zur Verbreitung von Samen bei, und die Nutzung von Wasserstellen half, diese für andere Arten zugänglich zu halten. So förderte es auch die Artenvielfalt.

🧬 Nashorn ist nicht gleich Nashorn

Weltweit gibt es fünf Nashornarten, verteilt auf zwei Kontinente:

Afrika:

  • Breitmaulnashorn (Ceratotherium simum) – größte heute lebende Nashornart; Schulterhöhe: 1,50 – 1,82 m, Gewicht: 1,6 – 3,5 t, Länge: 299 – 280 cm
    → Unterteilt in:

    • Südliches Breitmaulnashorn (Ceratotherium simum simum) – ca. 15.752 Tiere
    • Nördliches Breitmaulnashorn (Ceratotherium simum cottoni) – nur noch zwei Weibchen
  • Spitzmaulnashorn (Diceros bicornis)
    → kleiner, agiler, mit spitzer Oberlippe – ca. 6.788 Tiere

    • Südliche Spitzmaulnashorn (D. b. minor)
    • Südwestliche Spitzmaulnashorn (D. b. bicornis)
    • Östliche Spitzmaulnashorn (D. b. michaeli)
    • Westliche Spitzmaulnashorn (D. b. longipes) —> seit 2011 ausgestorben

Asien:

  • Indisches Panzernashorn (Rhinoceros unicornis)
    → mit nur einem Horn und auffälliger Hautstruktur, ca. 4.000 Tiere durch Artenschutz erhalten
  • Java-Nashorn (Rhinoceros sondaicus)
    → ebenfalls nur ein Horn, extrem selten, schätzungsweise 36 bis 78 Tiere

    • Indonesische Java-Nashorn (Rhinoceros sondaicus sondaicus)
    • Vietnamesische Java-Nashorn (Rhinoceros sondaicus annamiticus) —> seit 2010 ausgestorben
    • Indisches bzw. Bengalisches Java-Nashorn (Rhinoceros sondaicus inermis) —>1925 ausgestorben
  • Sumatra-Nashorn (Dicerorhinus sumatrensis)
    → kleinste Art, stark gefährdet, unter 50 Tiere, Zuchtbemühung

    • Westliches Sumatra-Nashorn (Dicerorhinus sumatrensis sumatrensis)
    • Nördliche Sumatra-Nashorn (Dicerorhinus sumatrensis lasiotis) —> vermutlich ausgestorben
    • Östliches Sumatra-Nashorn bzw. Borneo-Nashorn (Dicerorhinus sumatrensis harrissoni) —> verschollen, vermutlich ausgestorben

Ceratotherium simum cottoni

Northern White Rhino, ZOO Dvůr Králové, Czech Republic, CC BY-SA 4.0, Mistvan – Own work

Vom Leben zum Überleben: Der Weg in die Auslöschung

Das Nördliche Breitmaulnashorn war nie besonders zahlreich – und doch war sein Verschwinden kein langsames Verblassen, sondern ein dramatischer Absturz. In den 1960er-Jahren lebten noch rund 2.000 Tiere. Doch Wilderei, Bürgerkrieg und Lebensraumverlust durch menschliche Besiedlung und Landwirtschaft ließen die Population innerhalb weniger Jahrzehnte kollabieren.

Gewildert wurde und wird nicht nur zur Deckung lokaler Bedürfnisse, sondern auch zur Finanzierung bewaffneter Konflikte. Das lohnt sich trotz Verbot bis heute. Hauptgrund ist das Horn: In Teilen Asiens – vor allem in Vietnam und China – gilt es immer noch als Statussymbol und vermeintliches Heilmittel. Obwohl es aus Keratin besteht, also dem gleichen Material wie Fingernägel, werden ihm in der Traditionellen Chinesischen Medizin Wirkungen gegen Krebs, Fieber, Schlaganfälle und Potenzprobleme nachgesagt. Für viele Käufer zählt jedoch weniger die Heilung als die repräsentative Bedeutung. Das Horn steht für Reichtum, Einfluss und Zugang zu seltenen Ressourcen. Diese Nachfrage trieb den Preis ins Unermessliche – und macht das Horn zum Ziel organisierter Wilderei.

In den 1970er-Jahren sank der Bestand auf unter 40 Individuen – ein kritischer Tiefpunkt im Garamba-Nationalpark. Zwar führten Schutzmaßnahmen kurzfristig zu einer leichten Bestandszunahme, doch die politische Instabilität der Region machte jeden Fortschritt zunichte. Gerade in Krisengebieten ist der Schutz der Tiere besonders schwierig. 2008 konnte kein wildlebendes Tier mehr nachgewiesen werden, was die Unterart bereits als funktional ausgestorben kennzeichnet: der Genpool ist zu klein, die ökologische Rolle verloren.

Parallel dazu wurde versucht, die Art in Zoos zu erhalten. Der Zoo Dvůr Králové in Tschechien spielte dabei eine zentrale Rolle: Dort lebten mehrere Nördliche Breitmaulnashörner, darunter die Bullen Suni, Sudan, seine Tochter Najin und Enkelin Fatu. Doch trotz intensiver Bemühungen gelang keine erfolgreiche Zucht mehr. 2009 wurden diese vier Tiere nach Kenia überführt – in der Hoffnung, dass das afrikanische Klima die Fruchtbarkeit steigern würde. Die Tiere leben seither unter ständiger Bewachung im Ol Pejeta Conservancy. Zwar verbesserten sich ihre Lebensbedingungen sichtbar, etwa an der Hautqualität, doch ein Zuchterfolg blieb aus.

2018, im Alter von 45 Jahren, musste Sudan eingeschläfert werden. Damit sind Najin und Fatu die letzten Tiere ihrer Art. Beide sind inzwischen unfruchtbar.

Zeitstrahl des Verschwindens:

  • 1903: Erstbeschreibung als eigene Unterart, wissenschaftliche Anerkennung von C. s. cottoni
  • 1960er: ca. 2.000 Tiere in freier Wildbahn markieren den letzten stabilen Bestand
  • 1970er: Rückgang auf unter 40 Tiere durch Wilderei, Bürgerkrieg, Lebensraumverlust
  • 1973: Geburt von Sudan in freier Wildbahn, 1975 Gefangenschaft und Überführung nach Tschechien, er wird später zum letzten männlichen Vertreter der Unterart
  • 1980er: die Art gilt als stark gefährdet und internationale Schutzbemühungen beginnen; das erste Mal wird ein Kalb – Suni – in Gefangenschaft (Zoo Dvůr Králové) geboren
  • 2008: Ökologisch funktional ausgestorben, denn es sind keine wildlebenden Tiere mehr nachweisbar, es leben nur noch 8 Tiere in Zoos – 6 im Zoo Dvůr Králové (Tschechien), 2 im San Diego Zoo Safari Park (USA)
  • 2009: Sudan, Suni, Najin und Fatu verlassen den Zoo Dvůr Králové und werden nach Kenia umgesiedelt
  • 2014: Tod vom Bullen Suni (34 Jahre) im Oktober in Kenia, im Dezember stirbt dann das vorletzte männliche Tier Angalifu (44 Jahre) im San Diego Zoo Safari Park
  • 2018: Tod von Sudan (45 Jahre), die Art ist ab jetzt auch fortpflanzungsbiologisch funktional ausgestorben, da eine natürliche Fortpflanzung nun ausgeschlossen ist
  • 2025 (Veröffentlichung des Artikels 2025): Nur noch die Weibchen Najin und Fatu leben, beide können keine Kälber mehr austragen
  • Heute: Die aktuellen News zum Rettungsprogramm gibt es hier https://www.biorescue.org/de und hier https://www.instagram.com/biorescue_project/

Die letzten zwei: Najin und Fatu

Ihre Geschichte begann mit Hoffnung. Während die wilde Population verging, schenkte die in Uganda gefangene Nashornkuh Nasima im Laufe der Jahre fünf Kälbern das Leben. Darunter Suni, geboren 1980 im Zoo Dvůr Králové – das erste Nördliche Breitmaulnashorn, das je in menschlicher Obhut zur Welt kam. Ein Meilenstein der Zoogeschichte.

Am 11. Juli 1989 erblickte dann die kleine Najin das Licht der Welt. Ihr Vater war das spätere Symboltier Sudan. Sie wuchs heran, wurde selbst Mutter – Fatu, geboren am 29. Juni 2000, gezeugt von Saut, einem kräftigen Wildfang aus dem Sudan. Drei Generationen, verbunden durch Gene und Gehege.

Während Zoos forschten und versuchten, die Reproduktion durch Haltungsbedingungen und den Austausch von Zuchtbullen zu steigern, hatte das Schicksal andere Pläne. Obwohl die Zuchtversuche intensiv waren, kam es zu keiner weiteren Geburt. Und die Zeit kennt kein Erbarmen.

Ein verzweifelter, aufwendiger Plan wurde umgesetzt: 2009 wurden Najin, Fatu, Sudan und Suni nach Kenia überführt – in das Schutzgebiet Ol Pejeta Conservancy. Es war ein letzter Versuch, die Art durch Rückkehr in ein naturnahes Umfeld zu retten. Vielleicht könnten das natürliche Klima, die Umgebung und eine neue soziale Dynamik die Fruchtbarkeit fördern.

In ihrem neuen Zuhause mussten sie viele Verhaltensweisen erst lernen: Wie wälzt man sich in Schlammpfützen? Wie behauptet man sich gegenüber anderen Nashörnern? Gerade die wildlebenden Südlichen Breitmaulnashörner im Reservat halfen dabei, verloren gegangene Instinkte zu reaktivieren.

Doch trotzdem blieb die Fortpflanzung aus. Suni starb 2014, Sudan 2018. Heute leben nur noch Najin und Fatu. Sie stehen rund um die Uhr unter Schutz, werden von ihren Pflegenden liebevoll umsorgt. Sie haben ein bewegtes Leben hinter sich – geboren in einem europäischen Zoo, aufgewachsen zwischen Zuversicht und Scheitern, umgesiedelt nach Afrika, begleitet von Kameras, Wissenschaft und Erwartungen. Ihre Körper tragen das genetische Erbe einer ganzen Unterart – und die Last, die letzten zu sein.

Seit 2021 ist klar: Najin werden keine weiteren Eizellen entnommen. Ihr Alter und ihre Gesundheit lassen solche Eingriffe nicht mehr zu. Fatu ist nun die einzige lebende Quelle – das letzte Tier, von dem noch gesunde Eizellen gewonnen werden können. Damit bleibt uns nur die Wissenschaft: der Versuch, aus den Trümmern unserer Verantwortungslosigkeit ein biologisches Echo zu rekonstruieren.

Bilder und Videos der beiden gibt es hier:

Letzte Hoffnung Wissenschaft – Rettung durch Reproduktionstechnologie

Die natürliche Fortpflanzung ist gescheitert. Die letzten Tiere altern. Doch die Wissenschaft kämpft weiter – mit einem der ambitioniertesten Artenschutzprojekte unserer Zeit.

Bereits fünf große Massenaussterben sind in der Erdgeschichte dokumentiert. Aktuell mehren sich die Hinweise, dass wir uns in einer sechsten Phase befinden – diesmal ausgelöst durch uns selbst. Rund 22 % der Säugetierarten gelten als gefährdet, und klassische Schutzstrategien wie Habitatschutz, Zuchtprogramme oder Wiederansiedlung reichen oft nicht aus. Das Beispiel des Nördlichen Breitmaulnashorns zeigt dies besonders deutlich.

Die ökologischen Folgen des Artenverlusts sind komplex und oft nicht vollständig absehbar – vor allem, wenn es sich um Schlüsselspezies handelt, deren Verschwinden ganze Netzwerke destabilisieren kann. Auch andere Arten, die direkt oder indirekt mit dem Nördlichen Breitmaulnashorn verbunden waren, werden durch dessen Aussterben beeinflusst – und im schlimmsten Fall ebenfalls gefährdet.

Um dem entgegenzuwirken, trafen sich 2015 zwanzig internationale Wissenschaftler*innen, um einen umfassenden Rettungsplan zu entwickeln. Daraus entstand unter anderem das Projekt BioRescue, geleitet vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) und gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

🔬Die Rettungsstrategie der Forschung:

  • IVF – In-vitro-Fertilisation: Aus eingefrorenen Spermien und Eizellen wurden im Labor bereits 38 Embryonen erzeugt (Stand August 2025). Diese sind kryokonserviert und sollen Südlichen Breitmaulnashorn-Weibchen eingesetzt werden, da diese genetisch sehr ähnlich sind.
  • Leihmutterschaft: Da Najin und Fatu keine Schwangerschaft austragen können, sollen Weibchen der verwandten Unterart als Ersatzmütter dienen. Im September 2023 wurde erstmals ein Embryo erfolgreich eingesetzt – allerdings handelte es sich um einen Embryo des Südlichen Breitmaulnashorns. Die Leihmutter Curra trug einen lebensfähigen männlichen Fötus, verstarb jedoch später an einer bakteriellen Infektion. Embryonen des Nördlichen Breitmaulnashorns wurden erst ab Ende 2024 eingesetzt, bislang jedoch ohne stabile Schwangerschaft. 2025 erfolgen weitere Übertragungen von Embryonen des Nördlichen Breitmaulnashorns in Leihmütter des Südlichen Breitmaulnashorns.
  • Stammzelltechnologie (SCAT): Seit 2011 arbeiten Forschende daran, aus Hautzellen sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) zu gewinnen. Diese könnten sich zu künstlichen Eizellen und Spermien entwickeln – ein Durchbruch für Tiere, von denen keine Keimzellen mehr erhalten sind.
  • Genom-Analyse & genetische Vielfalt: Das vollständige Erbgut des Nördlichen Breitmaulnashorns wurde entschlüsselt. Es dient als Referenz, um die Qualität der Stammzelllinien zu prüfen und genetische Vielfalt zu bewahren. Ziel ist es, Embryonen aus möglichst unterschiedlichen genetischen Kombinationen zu erzeugen – unter anderem durch die Nutzung von eingefrorenen Hautzellen verstorbener Tiere. So soll langfristig eine Population entstehen, die sich selbst fortpflanzen kann, ohne dass Inzucht entsteht. Die genetische Diversität ist entscheidend, damit die Art nicht nur überlebt, sondern auch widerstandsfähig bleibt.

🧠 Verhalten nicht vergessen

Auch wenn Südliche Breitmaulnashornkühe die Jungen austragen können, bleiben feine Unterschiede im Verhalten – etwa bei Kommunikation, Paarung oder Kalbaufzucht – zwischen den Unterarten bestehen. Diese sind bislang kaum erforscht. Deshalb wäre es wichtig, die geborenen Kälber mit Najin und Fatu zusammenzubringen, um ihnen zumindest Teile des natürlichen Verhaltens zu vermitteln.

Was ihr Schicksal uns lehrt

Das Nördliche Breitmaulnashorn ist mehr als ein biologischer Einzelfall. Es steht symbolisch für eine Welle des Aussterbens – für das Verschwinden ganzer Arten durch menschliches Handeln. Sein Schicksal zeigt, dass Schutzmaßnahmen zu spät kommen können, wie komplex die Wiederherstellung ist und dass die Folgen eines Verlusts noch nicht vollumfänglich erfassbar sind.

Die Geschichte von Najin und Fatu ist nicht nur eine wissenschaftliche Herausforderung, sondern auch eine ethische. Sie zwingt uns, über unser Verhältnis zur Natur nachzudenken: über Kontrolle und Fürsorge, über Verantwortung und Grenzen. BioRescue ist ein Versuch, das Unwiederbringliche zumindest biologisch zu bewahren – und unsere Schuld mit einer Geste der Wiedergutmachung anzuerkennen.

Auch andere Arten stehen an ähnlichen Kipppunkten. Manche sind weniger bekannt, weniger majestätisch, aber ebenso bedroht. Das Nashorn wird zum Stellvertreter für Amphibien, Insekten, Pflanzen – für ganze Ökosysteme, die langsam zerbrechen.

Was wir daraus lernen können?

Dass Schutz nicht erst beginnen sollte, wenn es fast zu spät ist.

Dass die Natur nicht nach unseren Regeln spielt.

Und dass wir nicht erwarten sollten, dass Forschung und Technik die Fehler der Gegenwart korrigieren können. Denn der Erfolg ist ungewiss.

Northern White Rhino

Nola, Nördliches Breitmaulnashorn im San Diego Zoo Safari Park, Jeff Keeton – Own work,CC BY-SA 4.0

Ausblick: Hoffnung oder Abschied?

Was also, wenn die Rettung scheitert? Wenn keine Trächtigkeit gelingt, keine Herde entsteht, keine Rückkehr in die Savanne möglich ist?

Dann wird das Nördliche Breitmaulnashorn ein Schatten der Vergangenheit – konserviert in Zellkulturen, Genbanken und Erinnerungen. Ein Mahnmal für das, was wir verlieren, wenn wir zu spät handeln.

Doch selbst wenn diese Art nicht zurückkehrt, ist der Versuch nicht vergebens. BioRescue zeigt, was Wissenschaft leisten kann – und wo ihre Grenzen liegen. Es zeigt, dass Artenschutz nie zu früh beginnt. Dass politische Entscheidungen, Lebensraumfragen und unser Verhältnis zur Natur viel bewirken können, sowohl positiv als auch negativ. Das Labor kann ein Teil der Rettungsmission sein, aber wir sollten uns niemals auf zukünftige Technologien verlassen, um Schaden aus der Gegenwart zu beheben. Denn der Erfolg ist nie gesichert.

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Doch sie allein reicht nicht. Was zählt, ist das Handeln davor – das rechtzeitige, das unbequeme, das entschlossene. Wir werden nicht alle Arten retten können, aber unsere Verantwortung ist, es trotzdem mit aller Kraft zu versuchen.

 

Wenn du wissen willst, was Zoos allgemein für Tiere bedeuten, dann lies gern unseren Artikel Lebenslanger Lockdown für Tiere.

 

Quellen:

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