- Was versteht man unter Streunerhunden?
- Warum gibt es so viele Streunerhunde?
- Welchen Situationen sind streunende Hunde ausgesetzt?
- Welche Probleme können Streunerhunde verursachen?
- Gibt es streunende Hunde auch in Deutschland?
- Streunerhunde im europäischen Ausland – beispielhaft in Rumänien und Italien
- Welche Hilfe ist für Straßenhunde sinnvoll?
Was versteht man unter Streunerhunden?
Es gibt auf der Welt weit mehr frei laufende Hunde als Familienhunde. Schätzungsweise 75 bis 85 % der weltweiten Hundepopulation sind Streunertiere, die auf Straßen oder in der Umgebung menschlicher Siedlungen umherstreifen. Den „typischen“ Streuner gibt es dabei nicht: Streunerhunde sind nicht nur phänotypisch sehr verschieden, sondern leben auch in unterschiedlichen Beziehungen mit ihren Artgenossen und zu Menschen. Manche sind Einzelgänger, andere bilden mehr oder weniger stabile Gruppen von 2 bis 5 Hunden, bis hin zu Rudeln mit 28 Individuen. Es finden sich extrem scheue Streuner, die eine große Fluchtdistanz zum Menschen halten, andere sind eher zutraulich und „spezialisiert“ auf das Erbetteln von Futter in Restaurants oder Cafés. In ihrer Versorgung mit Ressourcen, wie Nahrung und Unterkunft, sind streunende Hunde vom Menschen abhängig, ihre Ernährung besteht hauptsächlich aus Speiseabfällen, die sie z. B. im Müll oder in der Nähe von gastronomischen Einrichtungen finden. In ihrer Bewegungsfreiheit sind sie – wenn man Krankheiten oder Einflussnahme durch den Menschen ausschließt – nicht begrenzt. Dies ermöglicht ihnen auch eine relativ freie Auswahl in Bezug auf die Paarungspartner. Innerhalb einer Hundegruppe bzw. eines Rudels setzt sich dabei zumeist der Alphahund durch, weshalb Rüden der unteren Rangordnung bei der Partnerwahl sehr eingeschränkt bleiben.
Außer den herrenlosen Streunern gibt es auch frei laufende Hunde, die einen Besitzer haben. Sie haben zwar ein Zuhause, an dem sie Futter und Unterkunft erhalten, laufen allerdings für unterschiedlich lange Zeit frei herum und vermehren sich, wenn sie nicht kastriert sind, mit anderen Streunern. Zu dieser Kategorie gehören auch Herdenschutzhunde, die in vielen (südlichen) Ländern oft frei laufend sind und deren Beziehung zum Menschen eher locker ist.
Während herumstreunende Hunde – herrenlos oder in menschlichem Besitz – zumindest teilweise auf den Menschen sozialisiert sind und in Städten oder in der Nähe von menschlichen Siedlungen leben, unterscheidet man von ihnen die verwilderten Hunde, die sich in natürlicheren Umgebungen aufhalten und den Menschen strikt meiden. Sie schließen sich in wolfsähnlich strukturierten Rudeln zusammen und ernähren sich neben Abfällen zum Teil auch über die Jagd auf Beutetiere.
„Den“ Streuner gibt es demnach nicht. Streunende Hunde leben unter ganz unterschiedlichen Bedingungen. Hochflexibel passen sie sich den von Menschen dominierten Lebensräumen an. Unbestritten ist, dass es vielen von ihnen nicht gut geht. Dass sie sehr schwierigen Umständen, negativen Erlebnissen und Erfahrungen ausgesetzt sind. Doch es gibt auch Streuner, die ein freies, selbstbestimmtes und offensichtlich nicht unglückliches Leben führen.
Übrigens ist der Begriff „Streuner“ nicht ganz unumstritten. Viele Tierschützer in Rumänien beispielsweise sprechen lieber von „Caini fara stapan – Hunde ohne Meister“, oder eben herrenlosen Hunden, da dies ggf. positiver behaftet ist. In der Literatur findet man etliche Begriffe für streunende Hunde (mit und ohne Besitzer), wie hauptsächlich: „Streuner“, „Streunerhunde“, „Straßenhunde“, „wild/frei lebende/laufende Hunde“, „streunende Hunde“, „herrenlose Hunde“ und „frei lebende Besitzerhunde“.
Warum gibt es so viele Streunerhunde?
Zunächst ist es so, dass frei laufende Hunde in vielen Ländern, gerade in Süd- und Osteuropa, aber auch in asiatischen, afrikanischen und südamerikanischen Ländern, zum gewohnten Straßenbild gehören. Die Mehrzahl der Hunde weltweit sind Streuner, da sie (weitgehend) ohne menschliche Kontrolle umherstreifen. In unserer westlichen Kultur leben Hunde fast ausschließlich als Familienhunde mit uns im Haus, auf dem Grundstück oder in der Wohnung. Immer war das allerdings nicht so. Noch vor weniger als hundert Jahren gehörten Straßenhunde auch in Westeuropa zum Alltag. In vielen Ländern werden Hunde weniger als Haustiere, sondern mehr als Nutztiere angesehen, wie beispielsweise als Hof- und Wachhunde, Hüte- und Jagdhunde.
Woher kommen all die streunenden Hunde? In erster Linie gehen Straßenhund-Populationen aus (ehemaligen) Besitzertieren hervor, die sich unkontrolliert vermehren. Zum einen sind dies frei laufende Hunde von Privatpersonen, die sich untereinander bzw. mit herrenlosen Straßenhunden fortpflanzen. Zum anderen handelt es sich um entlaufene, ausgesetzte oder zurückgelassene – also besitzerlos gewordene – Hunde. Und innerhalb der Streunerpopulationen werden Hunde dann bereits als Straßenhunde geboren.
Welchen Situationen sind streunende Hunde ausgesetzt?
Im Gegensatz zu dem – in den meisten Fällen – sicheren und geregelten Leben unserer Familienhunde sind Streunerhunde einer Anzahl von Umständen und Widrigkeiten ausgesetzt, die für sie lebensbedrohlich sein können.
Dazu gehören:
- Kälte: Im Winter bei strengem Frost leiden besonders alte und kranke Hunde, aber auch Welpen unter der Witterung – bis hin zum Erfrieren. Außer an Futter fehlt es auch an Wasser, da dieses gefriert.
- Hitze: Trockenheit und Dürre verursachen ebenfalls vor allem Wassermangel, der bis zum Verdursten führen kann. Außerdem vermehren sich Insekten wie Zecken, Mücken und Flöhe bei hohen Temperaturen stärker, die als Parasiten die Hunde befallen und Krankheiten übertragen können.
- Hunger und Durst: Der Hauptanteil der Nahrung besteht bei streunenden Hunden aus Abfallresten, die z. B. im Müll gefunden oder erbettelt werden. Eine weitere Nahrungsquelle kann aus dem Füttern an fest eingerichteten Futterplätzen bestehen. Häufig mangelt es an Nahrung bzw. ist die Versorgung nicht sicher gewährleistet – abgesehen von einer minderen Futterqualität. In der Folge können Hunger, Fehlernährung, Unterernährung, Durst und Dehydrierung auftreten und die Hunde anfälliger für Krankheiten machen. Hinzu kommt, dass sich viele herrenlose Hunde beim Suchen von Futter im Müll an scharfen Gegenständen, wie Gläsern und Flaschen, schneiden können und somit Schnittwunden und Narben davontragen.
- Krankheiten: Aufgrund von fehlender und qualitativ schlechter Nahrung, Parasitenbefall und unzureichendem oder fehlendem Impfschutz erhöht sich für Streunerhunde die Gefahr (schwer) zu erkranken. Im Ausland treten bestimmte Krankheiten vermehrt auf und bedeuten für die Hunde, aber auch für den Menschen, ein Gesundheitsrisiko. Dazu zählen etwa Tollwut, Parvovirose, Staupe und Leptospirose.
Parasiten, wie Zecken oder Mücken, können die folgenden Krankheiten auf Hunde übertragen:
- Leishmaniose: wird durch Sandmücken auf Hunde übertragen; Leishmanien sind Parasiten, die in (sub)tropischen Gebieten, auch im Mittelmeerraum, vorkommen.
- Borreliose: infizierte Zecken kommen auch in Deutschland vor
- Babesiose: eine durch Zecken übertragene Infektionskrankheit
- Ehrlichiose: Infektionskrankheit, die ebenfalls durch Zecken übertragen wird
- Herzwürmer (Dirofilaria immitis): wird durch Stechmücken auf Hunde übertragen
- Hautwürmer (Dirofilaria repens): Hautwürmer besitzen ein „Zoonosepotential“ und werden inzwischen als „Emerging Disease“ eingestuft. Zoonosen sind Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden können und umgekehrt.
- Bandwürmer: sind ebenfalls Zoonose-Erreger
- Unfälle: Streunende Hunde können Opfer von Verkehrsunfällen und dadurch verletzt oder getötet werden.
- Tierschutzwidriger Umgang mit den Hunden: In Gegenden mit vielen Straßenhunden herrscht oftmals ein tierschutzwidriges Verhalten vor, begründet unter anderem in der Angst vor der Ansteckung mit Krankheiten und fehlender Aufklärung. Es kommt zu Misshandlungen, brutalen Einfangaktionen, sowie zu Tötungsaktionen durch Vergiften, Erschlagen, Erschießen, Ertränken oder durch andere grausame Methoden. Oder die Hunde werden eingefangen und in Tierheime mit zum Teil unhaltbaren Zuständen zur lebenslangen „Verwahrung“ verbracht.
Aber es gibt nicht nur Negatives …
Wie oben beschrieben leben Streunerhunde in sehr vielfältigen Umgebungen und unter ganz verschiedenen Bedingungen. Nicht nur Leid, täglicher Überlebenskampf und schreckliche Erfahrungen kennzeichnen das Streunerdasein. Sondern auch das freie Ausleben der kanidentypischen Verhaltensweisen wie z. B. Sozial- und Territorialverhalten, das Treffen von freien, selbstbestimmten Entscheidungen, eine permanente Beschäftigung sowie Freude und Ausgelassenheit kommen vor.
Welche Probleme können Streunerhunde verursachen?
Als vordergründige Problematik ist die mögliche Übertragung von Krankheiten auf Menschen zu nennen.
- Tollwut: Außerhalb von Europa und Nordamerika ist die Tollwut teilweise noch weit verbreitet. An der tödlichen Viruserkrankung sterben nach Schätzungen jährlich 25.000 bis 159.000 Menschen, die meisten davon in Asien (über 50 %) und in Afrika, einige in Südamerika und sehr wenige in Nordamerika und Westeuropa. Man nimmt an, dass ganze 99 % der menschlichen Tollwutinfektionen auf Hundebisse zurückgehen. Oft führt bereits die Angst vor einer Ansteckung zum Töten von einzelnen Streunern oder von ganzen Streunerpopulationen.
- Weitere Zoonosen: Es gibt außer der Tollwut noch weitere von Hunden häufig übertragene Krankheiten, dazu zählen: viszerale Leishmaniose, Echinokokkose und Toxokariose.
Weitere mögliche Risiken, die von Streunerhunden ausgehen können, sind:
- Übertragung von Krankheiten auf Wildraubtiere, wie etwa die Übertragung der Tollwut auf den Äthiopischen Wolf und den Afrikanischen Wildhund
- Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit durch Beißvorfälle
- Gefährdung des Straßenverkehrs durch Verursachung von Verkehrsunfällen
- Das Töten von Nutzvieh durch Hunde (z. B. Schafe und Ziegen) führt zu finanziellen Verlusten, was besonders in einigen sozial schwachen Regionen sehr problematisch sein kann.
Frei lebende Hunde stellen nicht zwangsläufig ein Gesundheits- oder anderweitiges Risiko dar. Mit einem erfolgreichen Management der Streunerpopulationen lassen sich die genannten Problematiken eindämmen. Am wirkungsvollsten geschieht dies durch Kastrations- und Impfkampagnen. Tollwut beispielsweise ist durch Impfung zu einhundert Prozent zu vermeiden. (Mehr dazu siehe unter Punkt 7 „Welche Hilfe ist für Straßenhunde sinnvoll?“)
Gibt es streunende Hunde auch in Deutschland?
In Deutschland kommen streunende Hunde so gut wie nicht vor. Das liegt an unserem kulturell geprägten Verständnis: Hunde werden als Familienhunde angesehen, die bei ihrem Besitzer bzw. ihrer Familie im Haus, auf dem Grundstück, oder in der Wohnung leben. Frei laufende Hunde gelten als entlaufen oder ausgesetzt. Zudem besteht beim Finden eines herrenlosen Hundes hierzulande die gesetzliche Verpflichtung, diesen bei der Gemeinde oder dem Tierheim zu melden. Anzeichen für einen Streuner können sein: dünn bis abgemagert, ein schmutziges, zotteliges Fell und ein ängstliches, orientierungsloses oder aggressives Verhalten.
Streunerhunde im europäischen Ausland – beispielhaft in Rumänien und Italien
In vielen süd- und südosteuropäischen Ländern, in denen Tausende frei laufende Hunde auf der Straße leben, ist die Situation für die Tiere zum Teil sehr problematisch. In etlichen Ländern, wie in Rumänien, der Slowakei, Ungarn oder in bestimmten Regionen Spaniens, ist das Einfangen und Töten der Straßenhunde erlaubt. Oder die existierenden Tierschutzgesetze werden nur unzureichend umgesetzt, wie z. B. in Italien, Spanien, Rumänien oder Griechenland.
Rumänien
In Rumänien ist seit 2014 das Gesetz zur Euthanasie von streunenden Hunden und Tierheimhunden in Kraft (Gesetz 258/2013), welches das Einfangen und Verbringen in öffentliche Tierheime erlaubt, sowie das Töten der Hunde nach Ablauf einer 14-tägigen Frist, wenn sie niemand abholt. Die Straßenhunde werden oft mit sehr grausamen Methoden eingefangen. Seitdem das Gesetz wirksam ist, sind außer Streunerhunden ohne Besitzer auch Tausende frei laufende Besitzerhunde getötet worden.
Die Gesetzgebung beinhaltet außerdem eine Kennzeichnungs- und Registrierpflicht sowie eine Kastrationspflicht für Hunde aus Privathaushalten. Problematisch dabei ist allerdings, dass sich dies viele Menschen nicht leisten können. Auch herrscht vor allem bei der Dorfbevölkerung oftmals noch die Meinung vor, eine Hündin sei nur dann gesund, wenn sie mindestens einmal in ihrem Leben Junge zur Welt gebracht hat und ein kastrierter Rüde sei kein „echter Kerl“. Das macht es sehr schwer, die Hundebesitzer von einer Kastration oder Sterilisation zu überzeugen. Ungewollter Nachwuchs wird ausgesetzt oder „entsorgt“.
Seit Einführung der gesetzlichen Verpflichtungen sind viele Hunde ausgesetzt worden, allein im Umkreis der „Smeura“ in Pitesti sind es jährlich im Durchschnitt 550 Hunde, die dort ausgesetzt werden. Für das Fangen, Unterbringen und Töten der Hunde erhalten die Gemeinden Geld, weshalb das Interesse, die Kastrationspflicht zu kontrollieren, gering ist. In diesem fatalen Kreislauf hat sich demzufolge seit Jahren wenig an der Situation der Streunerhunde in Rumänien geändert.
Hilfe für rumänische Straßenhunde im Tierheim „Smeura“
In der Smeura in Pitesti, einer rumänischen Stadt etwa 120 km von Bukarest entfernt, sind rund 5500 Hunde untergebracht. Es gilt als größtes Tierheim der Welt und befindet sich auf einem 5 ha großen Grundstück einer ehemaligen Fuchsfarm. Das Tierheim wurde im April 2001 angesichts der Massentötungen von Straßenhunden gegründet und wird vom Verein Tierhilfe Hoffnung e. V. betrieben. Die Smeura wird fast ausschließlich über Spenden deutscher Tierschützer finanziert. Alle erwachsenen Hunde werden nach Ankunft kastriert. Ziel der Smeura ist es nicht, alle Hunde nach Deutschland zu vermitteln, sondern gesunde, kastrierte Hunde wieder in ihren angestammten Territorien frei zu lassen. Solange die Gesetzgebung in Rumänien aber wie oben beschrieben in Kraft ist, gibt es nur die Option der Vermittlung der Tiere. Beziehungsweise betreut das Tierheim alte, kranke, aber auch aggressive, unvermittelbare Hunde bei sich vor Ort.
Italien
Wie in anderen südeuropäischen Ländern gibt es auch in Italien viele streunende Hunde, insbesondere in Süditalien. Die Euthanasie von Straßenhunden ist seit 1991 gesetzlich verboten (italienisches Tierschutzgesetz 281/1991), mit Ausnahme von unheilbar kranken oder sehr gefährlichen Hunden. Insgesamt ist die Situation mittels Tierschutzgesetz klar geregelt, beispielsweise ist das Aussetzen der Hunde strafbar und die Besitzer sind auch verpflichtet, ihre Tiere chippen und registrieren zu lassen. Allerdings werden die Regelungen kaum umgesetzt und befolgt, und somit gelangen immer wieder Hunde auf die Straße.
Viele Tierheime sind überfüllt, die Anzahl der Tierheimhunde übersteigt um ein Vielfaches die Anzahl der Adoptionen. Somit gibt es viele gesunde Hunde, die lebenslang in den Tierheimen ihr Dasein fristen. Besonders nicht mit dem Menschen sozialisierte ehemalige Straßenhunde haben keine Chance auf eine Adoption. Die „Canile“, in denen Hunderte bis Tausende von Hunden eingepfercht „verwahrt“ werden, sind mit deutschen Tierheimen nicht vergleichbar. Es fehlt an Grundlegendem wie Futter, Wasser, medizinischer Versorgung, Platz, Auslauf, Zuwendung und Schutz vor der Witterung.
Kastrationsprojekte mit dem Ziel der Populationskontrolle sind dadurch erschwert, dass streunende Hunde nicht ohne Erlaubnis eingefangen und kastriert werden dürfen, denn sie gehören offiziell der Gemeinde. Diese muss Kastrationsmaßnahmen genehmigen, was eine Tierschutzorganisation zunächst beantragen und abwarten muss.
Das Betreiben eines Tierheims wird staatlich gefördert, pro Hund zahlt die Gemeinde einen bestimmten Betrag. Dies bringt Korruption hervor und das Geld landet statt bei den Tieren bei Tierheimbetreibern, Behörden oder privaten Unternehmen.
Natürlich gibt es aber auch tierschutzgerechte Tierheime, in denen es den Hunden – soweit dies in einem Heim möglich ist – gut geht, und die sich für die Gesundheit und Vermittlung der Tiere einsetzen. Und es gibt auch neue Wege, um Straßenhunden zu helfen und die Tierheime zu entlasten, wie die Idee des „Gemeinde-Hundes“: Mit zehn Unterschriften von Einwohnern und der Feststellung, dass ein Hund gesund ist, kann dieser weiterhin frei in seinem Territorium leben.
Welche Hilfe ist für Straßenhunde sinnvoll?
In vielen Ländern wird noch immer das Einfangen und Töten von Straßenhunden praktiziert und ist teilweise auch gesetzlich erlaubt. Abgesehen davon, dass diese Vorgehensweise – zumal oftmals mit grausamen Methoden ausgeführt – aus Tierschutzsicht zu verurteilen ist, ist sie auch wirkungslos. Das Töten führt nur zu einer kurzzeitig verringerten Populationsdichte. Denn durch das Entfernen von Hunden aus einem Gebiet werden dort Ressourcen, wie Nahrung und Platz, frei – Tiere aus der Umgebung wandern zu und der Fortpflanzungserfolg der verbliebenen Tiere erhöht sich. Schnell ist die ursprüngliche Anzahl der Hunde wieder erreicht.
Es handelt sich um das Phänomen der Tragfähigkeit: In einem bestimmten Gebiet gibt es nur Ressourcen für eine gewisse Anzahl an Individuen, weswegen sich deren Zahl immer annähernd gleich einpendelt. Für Straßenhunde geht es dabei um die Ressourcen Wasser, Futter und Platz (eine Art Unterkunft). Entfernt man nun Hunde – sei es durch Töten oder auch durch Wegsperren in Tierheime – wird diese Lücke in kurzer Zeit geschlossen, indem mehr Tiere geboren werden, Hunde aus anderen Gebieten zuwandern und die verbliebenen Tiere eine höhere Lebenserwartung haben.
Zudem hat sich gezeigt, dass Euthanasieprogramme auch deswegen kontraproduktiv sind, weil sie zu höherer Aggression zwischen den Hunden führen und damit die Ausbreitung der Tollwut begünstigen. Auch psychologisch betrachtet zeigt sich die Ineffizienz: Das Fangen und Töten der Straßenhunde bewirkt und bestärkt ein negatives Bild von ihnen, nämlich dass sie gefürchtet werden müssten.
Kastrations- und Impfprogramme
Eine tierschutzgerechte und funktionierende Lösung für das nachhaltige Beeinflussen von Straßenhundepopulationen ist das Prinzip der TNR (Trap-Neuter-Release) bzw. TNVR (Trap-Neuter-Vaccinate-Release) Programme. Die Programme beinhalten das Einfangen – Kastrieren – (Impfen) und anschließende Freilassen der Hunde im Herkunftsgebiet. Der Erfolg von TNR/TNVR konnte bereits in mehreren Projekten nachgewiesen werden, so z. B. in Odessa (Ukraine), Italien (Arbeit von Lega pro Animale in Neapel), in Rumänien (Verein Tierhilfe Hoffnung e. V.) und in Bhutan (Asien).*
In Kastrationsprogramme eingebundene Tollwutimpfungen bewirken in Ländern, in denen die Tollwut weit verbreitet ist, eine Bekämpfung dieser Krankheit bei Mensch und Tier. Somit sind breit angelegte Tollwutimpfungen bei Hunden die wirkungsvollste und auch kostengünstigste Methode, um gegen die Krankheit vorzugehen.
Die kastrierten (und geimpften) Hunde erhalten eine optische Kennzeichnung mittels Ohrclip oder Kerbe im Ohr. Das verstärkt zudem die Akzeptanz und Sicherheit in der Bevölkerung. Dadurch ergibt sich der weitere positive Aspekt, dass ein besserer Umgang zwischen Menschen und Hunden erreicht werden kann. Auch sind in verschiedenen Kastrationsprogrammen eine Abnahme von Aggressionspotential und von Hundebissen beobachtet worden.
Eine Registrierung der Hunde während der Kastrations-/Impfkampagnen in nationalen Datenbanken erfasst Gesundheitsdaten und den Impfstatus der Tiere, und kann gleichzeitig mithilfe der Identifizierung des Besitzers auch ein Finden von entlaufenen Hunden ermöglichen.
Damit Kastrationskampagnen für eine Populationskontrolle wirksam werden können, ist es wichtig, dass die Projekte langfristig und breit angelegt stattfinden. Ebenso von Bedeutung für eine nachhaltige Lösung sind kostenlose Kastrationsaktionen für Besitzerhunde (einschließlich der Öffentlichkeitsarbeit dazu) und das Anstreben von vergünstigten staatlichen Kastrationsprogrammen. Denn fehlende finanzielle Mittel und auch fehlende Aufklärung über die Thematik sind häufig Gründe in den betroffenen Ländern, die Hunde nicht kastrieren zu lassen, was dann schließlich durch frei laufende Besitzerhunde oder ausgesetzte und zurückgelassene Hunde die Straßenhund-Problematik aufrechterhält.
* Vgl. Deutscher Tierschutzbund e. V.: https://www.tierschutzbund.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Hintergrundinformationen/Ausland/Gesamtkonzept_Strassenhunde_in_Rumaenien_DE.pdf
Tierheime und Adoption
Die Unterbringung von Straßenhunden in Tierheimen ist unter der Bedingung hilfreich für die Tiere, wenn es sich dabei um einen vorübergehenden rehabilitierenden Aufenthalt mit dem Ziel einer Wiederauswilderung oder der Adoption in ein tiergerechtes Zuhause handelt.
Ein reines Wegsperren in Heime, in denen es an essentiellen Dingen wie Wasser, Futter, Medizin und Platz fehlt, stellt selbstverständlich keine Lösung dar. Im schlimmsten Fall leiden die in solche „Tierheime“ verbrachten Hunde unter den dort herrschenden Bedingungen bis zu ihrem Tod, ohne jemals dieses Gefängnis wieder verlassen zu können, oder werden in sogenannten Tötungsstationen umgebracht. In der Zwischenzeit werden es auf den Straßen sehr rasch wieder mehr streunende Hunde, da das Populationsdefizit sofort wieder ausgeglichen wird (siehe „Tragfähigkeit“).
Außer einer vorübergehenden Unterbringung im Tierheim, die sinnvollerweise mit medizinischer Betreuung, Kastration, ggf. Impfung und Parasitenbehandlung einhergeht, besteht eine weitere Option darin, ehemalige Streuner (unter anderem nach Deutschland) zu vermitteln. Seriöse Tierschutzorganisationen haben dabei nicht das Ziel, einfach möglichst viele Hunde zu vermitteln. Denn zum einen ist nicht jeder (Straßen)Hund für das Leben beim Menschen geeignet, zum anderen macht es wenig Sinn, stark traumatisierte, extrem ängstliche oder aggressive Tiere zur Adoption freizugeben. Diese verbleiben besser im Tierheim und werden dort so gut wie möglich betreut (z. B. im Open Shelter).
Die Nachfrage in Deutschland nach einem Tierschutzhund aus dem Ausland steigt aktuell stetig an, oft aus dem Wunsch heraus, einem – ehemals wenig gut behandelten – Hund ein besseres Leben zu ermöglichen. Bei der Auslandsadoption ist es vor allem wichtig, sich im Vorfeld möglichst umfassend zu informieren (selbstverständlich gilt das auch für die Adoption eines „Inlandshundes“ aus dem Tierheim, von einer Pflegestelle, Tierhilfsorganisation, etc.).
Konkret sind die folgenden Punkte bei der Adoption eines Hundes aus dem Ausland zu beachten:
- Die vermittelnde Tierschutzorganisation kritisch prüfen.
- Was kennzeichnet eine seriöse Tierschutzorganisation?
- Besitzt die Erlaubnis nach 11 Absatz 1 Nr. 5 Tierschutzgesetz (TierSchG), d. h. die Erlaubnis für Vermittlungstätigkeiten vom zuständigen Veterinäramt.
- Ist ein in Deutschland eingetragener Verein, erkennbar am Kürzel e. V.
- Erfasst den Import der Hunde über TRACES (TRAde Control and Expert System), einem Datenbanksystem, mit dem der gesamte Tierverkehr aus der EU und in die EU protokolliert wird.
- Verfolgt keine wirtschaftlichen Zwecke – somit ist ein Welpenhandel, mit dem Profit gemacht wird, ausgeschlossen.
- Hat eine Anlaufstelle im Inland, die bei der Vermittlung und eventuellen Problemen hilft, und den Hund notfalls auch wieder zurücknimmt.
- Arbeitet transparent, gibt Auskunft über die Hunde und erkundigt sich über die Gegebenheiten im potentiellen neuen Zuhause, ggf. mit einem Vorab-Besuch.
- Veröffentlicht Spendenübersichten und stellt auf Wunsch Spendenquittungen aus.
- Eine weitere Anlaufstelle, neben einer vertrauenswürdigen Tierschutzorganisation, kann auch das örtliche Tierheim sein. Viele deutsche Tierheime arbeiten mittlerweile mit ausländischen Tierschutzorganisationen zusammen und arrangieren mit diesen Tiervermittlungen.
- Kennt man die Maßstäbe, nach denen seriöse Tierschutzorganisationen arbeiten, sinkt das Risiko erheblich, auf sogenannte „Vermehrer“ und illegalen Welpenhandel hereinzufallen. Die Welpen werden dort häufig zu früh von der Mutter getrennt, ihr Gesundheitszustand ist oftmals schlecht, Geburtsdaten werden gefälscht und über den Impfstatus gibt es trotz vermeintlicher Papiere keine Klarheit.
- Wichtig bei der Entscheidung hinsichtlich einer Adoption ist weiterhin das Bewusstsein, dass der Hund aus einer ganz anderen Welt kommt und bei der Ankunft in Deutschland zunächst eine Art Kulturschock erlebt. An die völlig neue Umgebung muss er sich erst langsam gewöhnen und neue Strategien entwickeln. Er kann des Weiteren aufgrund seiner Vorgeschichte, die – wenn überhaupt – nur bruchstückhaft bekannt ist, traumatisiert sein und es kann eine mangelnde Sozialisation mit dem Menschen vorliegen. In jedem Falle können Verhaltensauffälligkeiten auftreten, wie schwieriges Futter- oder Leinenverhalten, territoriale Aggression, Verlustängste, „Leinenpöbelei“, usw. Nicht jeder aus dem Ausland adoptierte Hund ist – in Deutschland angekommen – automatisch verhaltensauffällig. Aber man sollte sich der potentiellen Probleme, die bei einem Hund mit einer ungewissen Vergangenheit auftreten können, bewusst sein. Und es dem Hund auch nachsehen können, wenn er hadert und sich erst einmal nicht zurechtfindet, anstatt – nach menschlicher Vorstellung – dankbar für sein neues Leben zu sein. Geduld, Durchhaltevermögen und die Akzeptanz, dass jeder Hund seinen eigenen Charakter und seine eigene Geschichte hat, sind sehr wichtig.
- Im Hinblick auf einen guten Gesundheitszustand des aus dem Ausland adoptierten Hundes sind Impfungen, eine Endo- und Ektoparasiten-Prophylaxe (Parasitenschutz) und das Testen auf die häufigsten Mittelmeerkrankheiten (wie z. B. Leishmaniose, Ehrlichiose, Babesiose, Dirofilariose, Hepatozoonose) essentiell. Wichtig ist auch die Frage, ob der Hund kastriert worden ist. In einer Schutzgebühr für die Adoption, die von vertrauenswürdigen Tierschutzorganisationen erhoben wird, sind diese vorausgegangenen Leistungen wie Impfungen, Entwurmungen, Kastration und das Ausstellen des EU-Heimtierausweises, enthalten.**
- Für die Einreise von Hunden aus dem EU-Ausland gelten des Weiteren die folgenden rechtlichenRegelungen:
- Ein EU-Heimtierausweis muss vorliegen, der Informationen über den Impfstatus und die Chipnummer enthält.
- Mikrochip und dazugehörige Chipnummer
- Nachweis über die Tollwutimpfung (die mindestens 3 Wochen zurückliegen muss)
- Mindestalter des Hundes bei Einreise: 15 Wochen. Bei sogenannten „nichtgelisteten Drittländern“ wie Türkei, Serbien, u. a., muss das Mindestalter bei Einreise 7 Monate betragen.
- Maximal 24 h vor Ausreise muss ein tierärztlicher Check durchgeführt werden.
- Nach dem Hundeverbringungs- und Einfuhrbeschränkungsgesetz gibt es ein Importverbot für folgende Hunderassen: American Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Bullterrier und Kreuzungen untereinander oder mit anderen Rassen.
** Unter www.petsontour.de findet man alle länderspezifischen Bestimmungen und Empfehlungen.
Ausführliche Informationen zu allen Aspekten der Vorbereitung und des Ablaufs einer Auslandshund-Adoption finden sich u. a. in der Broschüre „Ratgeber für Ihre Adoption eines Hundes aus einem anderen Land“ (lieblingstier.info/importhunde/).
Schließlich seien noch einige weitere Lösungsansätze genannt, die die Maßnahmen der Kastrations- und Impfprogramme, sowie der Vermittlung und Adoption, ergänzen können:
Aufklärungs- und Bildungsarbeit im Ausland
Aufklärungsarbeit sollte immer zu einem guten Management von Streuner-Populationen dazugehören. Wirksam ist eine langfristige Bildungsarbeit, die zu einer verbesserten Mensch-Hund-Beziehung beiträgt. Wenn das Verantwortungsbewusstsein und das Mitgefühl für die Tiere gestärkt werden, verbessert sich der Umgang mit ihnen, was letztendlich sowohl den Tieren als auch den Menschen zugutekommt.
Einheitliche Regelungen auf EU-Ebene
Beispielsweise geht es hier um das Erwirken von staatlicher Unterstützung für Kastrationskampagnen, anstelle der finanziellen Förderung des Einfangens und Tötens der Straßenhunde.
Maßnahmen zur Selbsthilfe
Das Prinzip der Selbsthilfe im Ausland unterstützt z. B. der Deutsche Tierschutzbund e. V. mit dem Ziel, dass Tierschützer vor Ort unabhängiger von deutscher, oder anderweitiger Hilfe von außen, werden. Dazu gehören etwa Kooperationen mit lokalen Tierschutzvereinen, Behörden und Tierärzten, Aufklärungsarbeit bei der Bevölkerung und das In-Kenntnis-Setzen der Behörden über Missstände und Verstöße.
Unterstützung der Tierschutzarbeit durch den Einzelnen
- Hilfe durch Spenden, Sachspenden, ehrenamtliche Mitarbeit, Mitgliedschaft im Verein, Praktika
- Pflegestelle (werden)
- Eine Patenschaft übernehmen
- Einen Hund adoptieren – siehe Punkt „Tierheime und Adoption“
- Öffentlichkeitsarbeit, wie z. B. Infostände betreuen, Workshops veranstalten, Messepräsenz, Flyer, Onlinemedien, uvm.
- An Petitionskampagnen teilnehmen
Quellen
-
- Kate Kitchenham (Hrsg.): Streunerhunde: Von Moskaus U-Bahn-Hunden bis Indiens Underdogs. Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG. Suttgart 2020.
- Deutscher Tierschutzbund e. V.: https://www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/ausland/strassentiere/strassenhunde-in-rumaenien/
- Deutscher Tierschutzbund e. V. / Tierhilfe Hoffnung e. V.: https://www.tierschutzbund.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Hintergrundinformationen/Ausland/Gesamtkonzept_Strassenhunde_in_Rumaenien_DE.pdf
- Förderverein Arche Noah Kreta e. V. / Tierärztepool: https://tieraerztepool.de/mission-kastration/fakten-ueber-strassenhunde
- Bundestierärztekammer e. V.: https://www.bundestieraerztekammer.de/btk/dtbl/archiv/artikel/3/2021/streunertiere-probleme-und-loesungsansaetze?pid=1055
- Förderverein Tierhilfe Hoffnung – Hilfe für Tiere in Not e. V. / Smeura: https://www.tierhilfe-hoffnung.com/die-smeura/
- VETO – Vereinigung europäischer Tierschutzorganisationen: https://www.veto-tierschutz.de/magazin/hunde-ratgeber/
- Ein Herz für Tiere: https://herz-fuer-tiere.de/haustiere/hunde/anschaffung-von-hunden/tierschutzhund-adoptieren
- Zooplus Magazin: https://www.zooplus.de/magazin/hund/hundehaltung/hund-gefunden#woran-erkenne-ich-dass-ein-hund-keinen-besitzer-hat
- Wikipedia Artikel „Straßenhund“: https://de.wikipedia.org/wiki/Straßenhund
- Broschüre „Ratgeber für Ihre Adoption eines Hundes aus einem anderen Land“: https://www.lieblingstier.info/importhunde/
- Broschüre von Hunderettung Europa e. V.: https://hunderettung-europa.de/