Gastbeitrag von Tierpsychologin Constanze Breßel


 

Damit unsere geliebten Haustiere ein langes und gesundes Leben haben, benötigen sie ärztliche Hilfe und Versorgung, denn auch unsere Tiere können krank werden. Doch worauf sollte ich bei der Tierärzt*innen-Wahl achten? Und kennt sich jede*r Tierärzt*in wirklich mit jeder Tierart gleich gut aus? Im Folgenden beantworten wir für euch die wichtigsten Fragen dazu:

Wie gut kennt sich ein*e Tierärzt*in mit welchen Tierarten aus?

Das veterinärmedizinische Studium umfasst den Bereich Großtiere wie z.B. Kühe, Schweine und Huftiere sowie den Bereich der sogenannten Kleintiere. Hierzu zählen schwerpunktmäßig Hunde und Katzen. Tiere wie Kaninchen, Meerschweinchen, Degus, Mäuse, Ratten und Hamster zählen zu den sogenannten Kleinsäugern bzw. Heimtierarten. Vögel und Reptilien zählen nicht dazu, sondern bilden eine eigene Kategorie. Der Bereich der Kleinsäuger und Vögel wird im klassischen Tiermedizinstudium nur sehr kurz angeschnitten, sodass eine Spezialisierung auf diese Tierarten während des Studiums nicht erfolgt. Die meisten Tierärzt*in führen die Bezeichnung Tierärzt*in für Kleintiere – haben diese Praxen keine nachweisbaren Weiterbildungen und Spezialisierungen zu anderen Tierarten absolviert, gehören Hunde und Katzen zu ihren Behandlungsschwerpunkten. Manche Tierärzt*in nutzen noch den alten Titel Fachtierärzt*in für Klein- und Heimtiere – dieser entspricht aber nicht mehr den aktuellen Anforderungen für Tiermediziner*innen mit Spezialisierung auf Kleinsäuger (siehe https://www.dvg-kleinsaeuger.de/index.php?id=30). Viele Tierärzt*in bieten jedoch Behandlungen von Kleinsäugern und Vögeln an, obwohl sie keine nachweisbaren Weiterbildungen zu diesen Tierarten absolviert haben. Hier ist Vorsicht geboten, denn noch immer werden Kleinsäuger und Vögel nach veralteten Ansichten behandelt und es kommt viel zu oft zu Fehldiagnosen, unzureichenden Behandlungen und teilweise zu schweren Behandlungsfehlern, die nicht selten tödlich enden.

Welcher Tierärzt*in für welche Tierart?

Um Kleinsäuger, Vögel und Reptilien artgerecht und fachgemäß untersuchen zu können, die richtigen Diagnosen zu stellen und die richtige Behandlung anzuwenden, muss ein*e Tierärzt*in eine entsprechende Weiterbildung bzw. Spezialisierung zu diesen Tierarten nachweisen können. Hat er eine solche Weiterbildung erfolgreich absolviert, darf er eine entsprechende Zusatzbezeichnung oder den Titel Fachtierärzt*in Heimtiere/Kleinsäuger tragen. Nur diese Tierärzt*innen sind in der Lage, die anspruchsvollen Tierarten korrekt behandeln zu können. Die Weiterbildungen zu den entsprechenden Tierarten sind enorm wichtig, um nach aktuellen Wissensstandards richtig diagnostizieren und behandeln zu können. Die Anatomie, Physiologie und komplexe Gesundheit von Kleinsäuger, Vögeln und Reptilien unterscheiden sich hochgradig von Hund und Katze!

Wie erkenne ich, ob ein*e Tierärzt*in spezialisiert ist?

Tierärzt*innen, die entsprechende Weiterbildungen zu Kleinsäugern, Vögeln oder Reptilien absolviert haben, tragen offizielle Zusatzbezeichnungen.

International/national anerkannte Zusatzqualifikationen für den Bereich Kleinsäuger/Heimtiere sind:

  • Diplomate ECZM (Small Mammal) (Diplomate des europäischen College für Zoomedizin – Bereich Kleinsäuger (europäischer Fachtierärzt*in))
  • PD (= Privatdozent) mit Lehrbefugnis für den Bereich Kleinsäuger nach Habilitation an einer Universität
  • Fachtierärzt*in Kleinsäuger (deutscher Fachtierärzt*in)
  • Zusatzbezeichnung Kleinsäuger/Heimtiere

Kennzeichen für vogelkundige Fachtierärzt*innen:

  • Wellensittich-Symbol mit dem Kürzel VK vor dem Namen der Praxis
  • Fachtierärzt*in für Geflügel
  • Fachtierärzt*in für Geflügel und Wirtschaftsgeflügel (ältere Bezeichnung, ersetzt durch „FTA für Geflügel“)
  • Dipl. ECZM (avian & herp)
  • Dipl. ECZM (avian)
  • Zusatzbezeichnung Zier-, Zoo- und Wildvögel

Kennzeichen für Reptilienfachtierärzte:

  • Fachtierärzt*in für Reptilien
  • Zusatzbezeichnung Reptilienkrankheiten
  • Zusatzbezeichnung Reptilien

Wichtig ist bei allen Spezialisierungen, dass die Tierärzt*innen ihre Zusatzqualifikationen nachweisen können. Diese können ebenfalls aus längeren Praxiszeiten in spezialisierten Einrichtungen bestehen.

Du solltest dich immer trauen, bei deinem*r Tierärzt*in nachzufragen, welche Qualifikationen er absolviert hat und wie gut er sich mit der entsprechenden Tierart auskennt. Nur so kann die richtige Behandlung für deine Haustierart sicher gewährleistet werden.

Wie sollte eine moderne Tierarztpraxis aussehen?

Die Einrichtung der Tierarztpraxis kann schon viel über die Behandlungsmöglichkeiten und den Wissensstand des*r jeweiligen Tierärzt*in aussagen. Vor allem am Stadtrand und in ländlichen Gebieten haben noch viele „alteingesessene“ Tierärzt*innen ihre kleine Praxis ohne moderne Diagnostikgeräte. Oftmals nehmen sich diese Tierärzt*innen zwar mehr Zeit für die Patientenbesitzer und ihre Tiere (was den Tierhalter*innen ein gutes Gefühl gibt), doch die Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten stoßen hier leider schnell an ihre Grenzen. Die moderne Tiermedizin hat sich in den letzten Jahren jedoch rasant weiterentwickelt und steht den modernen Behandlungsmöglichkeiten in der Humanmedizin noch in kaum etwas nach! Diesen Fortschritt sollten Tierhalter*innen nutzen, um ihre geliebten Tiere sicher behandeln lassen zu können.

Eine modern ausgestattete Tierarztpraxis sollte über folgende Diagnostikmöglichkeiten verfügen:

  • digitales Röntgengerät
  • Dentalröntgen
  • Blutanalysen vor Ort (kleines Blutbild)
  • Kotproben-Analysen vor Ort (Flotation)
  • Ultraschall
  • Endoskopie
  • Biopsie

Moderne Tierkliniken verfügen zudem häufig zusätzlich über

  • CT
  • MRT
  • DVT-Röntgen

Diese Diagnostikgeräte sind für das richtige Erkennen von Krankheiten zwingend erforderlich! Das klassische Abtasten von Umfangsvermehrungen oder inneren Organen beispielsweise bietet keine diagnostische Sicherheit, da hier weder klar gefühlt werden kann, worum es sich handelt noch wie der genaue Zustand des betroffenen Organs oder der Zubildung ist.

Wie sehen moderne Untersuchungen und Behandlungen aus?

Hier hat sich in den letzten Jahren ebenfalls viel getan! Moderne Untersuchungsmethoden sind schonender und effektiver geworden, da sie sich nach den neuesten Erkenntnissen in der Veterinärmedizin richten, denn jeder Medizinbereich lebt von neusten Forschungsergebnissen. So entstehen moderne Qualitäts- und Behandlungsstandards.

Zu den modernen Untersuchungsmethoden zählen z.B.

  • Untersuchung von Zähnen und Ohren mittels Otoskop → kein Maulspreizer mehr beim Kaninchen
  • Zahnwurzeluntersuchungen mittels Röntgen/CT/DVT
  • Sammelkotproben von 3 Tagen → frische Kotproben zeigen nicht alle Erkrankungen, z.B. Würmer und Parasiten
  • Feindiagnostik → Röntgen, Ultraschall, Blut- und Urinuntersuchung, CT, Biopsie, Abstriche und Antibiogramm, …
  • externe Laboruntersuchungen
  • Überweisung bzw. Empfehlung an spezialisierte Kollegen

Moderne Behandlungen können nur dann durchgeführt werden, wenn sich der*die Tierärzt*in regelmäßig weiterbildet. Nur so kann gewährleistet werden, dass unsere Haustiere nach neustem Wissensstand behandelt werden. Allen voran steht die sichere Narkose. Leider gibt es hier noch immer Tierärzt*innen, die ein modernes Narkosemanagement nicht anwenden, weil sie es schlichtweg nicht kennen. Dabei gehört ein sicheres Narkosemangement zu den wichtigsten Kriterien in der tierärztlichen Behandlung. Eine sichere Narkose setzt sich aus drei Medikamenten bzw. Wirkstoffen zusammen: einem Schmerzmittel, einem Muskelrelaxer und dem eigentlichen Narkosemittel. Während der gesamten Narkose und der anschließenden Aufwachphase wird das Tier die ganze Zeit durch das Fachpersonal überwacht, damit bei evtl. auftretenden Problemen sofort eingegriffen werden kann. Erst nach dem vollständigen Erwachen und bei stabilem Kreislauf darf das Tier wieder nach Hause. Noch immer kommt es vor, dass Tiere ihren Halter*innen wieder mitgegeben werden, obwohl sie noch nicht sicher aus der Narkose erwacht sind, noch benommen und noch nicht kreislaufstabil sind. Das ist hochriskant und strikt abzulehnen!

Daher sollte bei der Wahl der richtigen Tierarztpraxis auf moderne Behandlungsmethoden geachtet werden. Dazu zählen z.B.

  • die Gabe neuer Medikamente
  • moderne Impfstoffe
  • umfassende Therapie bei chronischen Erkrankungen
  • komplexe Behandlungen an Zähnen oder im HNO-Bereich nur unter Sedierung oder Narkose
  • bessere Wundversorgung z.B. mittels OP-Body nach operativen Eingriffen oder großen Wunden
  • effektivere Schmerzlinderung
  • gesundheitsorientierte Kastrationen auch von weiblichen Tieren (z.B. Kaninchen)
  • Physiotherapie
  • richtige Fütterungsempfehlungen
  • Empfehlung bzw. Überweisung zu anderen Expert*innen, z.B. Tierpsycholog*innen

Welche Kosten können durch Tierarztbesuche entstehen?

Laut Gebührenordnung der Tierärzte (GOT) dürfen praktizierende Tierärzt*innen ihre Berechnungsentgelte bis zum dreifachen Satz der GOT erheben, da es keine Festpreise gibt. Die jeweiligen Kosten sind durch medizinische Gründe, Zeitaufwand oder besondere Umstände (z. B. Notdienst) begründet. Je nach Komplexität eines Falls können dabei sehr hohe Tierarztkosten für Halter*innen entstehen – chronische Erkrankungen, schwierige Operationen, aufwendige Feindiagnostik und spezielle Therapien können sehr kostenintensiv werden.

Was bringt eine Krankenversicherung?

Seit einigen Jahren gibt es mehrere Anbieter für Tierkrankenversicherungen. Was nach einem schlüssigen und sinnvollen Konzept klingt, steckt aber leider noch immer in den Kinderschuhen. Für Hunde und Katzen, teilweise  für Großtiere wie Pferde, werden Krankenversicherungen angeboten, die bei gesunden, nicht vorbelasteten Tieren durchaus sinnvoll sind. Voraussetzung bei den meisten Tierkrankenversicherungen ist nämlich, dass das Tier bei Versicherungsantritt gesund ist bzw. keine schweren oder chronischen Erkrankungen hat. Auch für Kleinsäuger wie Kaninchen gibt es bereits mehrere Angebote für Krankenversicherungen, diese sind aber noch nicht optimal an die realen Behandlungsabläufe angepasst. Viele Versicherungen haben die Regelung einer jährlichen Behandlungshöchstsumme in ihren Versicherungsklauseln – bei speziellen Tierarten wie Kaninchen oder bei bestimmten Hunde- und Katzenrassen mit rassedisponierten Erkrankungen wie z.B. Bandscheiben-, Kreuzband- oder Herz- und Lungenerkrankungen sind diese Jahreshöchstsummen durch häufige Tierarztbehandlungen schnell aufgebraucht und nicht selten werden die Tierhalter*innen gekündigt.

Daher ist es für Tierhalter*innen noch immer ratsamer, regelmäßige Beträge beiseite zu legen oder direkt auf ein Sparkonto einzuzahlen.

 


tierärztlicher Bereitschaftsdienst: https://tierschutzdresden.de/tieraerztlicher-bereitschaftsdienst/


 

Quellen